Die große Lüge von der Wärmedämmung
Ein immer noch brandaktueller Bericht in Die Welt von Richard Haimann vom 29.03.2013. Es ist also vorher (!) zu denken und richtig zu kalkulieren, bevor man tausende von €uronen ausgibt, um Dämmplatten (meist EPS = Sondermüll) an seine Hausfassade zu kleben, die dann wohl doch nicht den gewünschten Effekt erzielen – von Nachhaltigkeit ist hier schon gar nicht zu sprechen. Zu bedenken ist auch, daß über die Außenwände nur ca. 15-20% der Wärmeverluste eines Gebäudes erfolgen, Maßnahmen am Dach/oberster Geschoßdecke und Fenstern/Außentüren sind hier weitaus effektiver.
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Wer Dämmplatten an seine Fassade klebt, spart Heizkosten – glauben viele. Doch die Rechnung geht nicht auf. Eine Studie zeigt: Die Kosten der Sanierung übersteigen die Einsparungen. Und zwar deutlich.
Ein Osterfest mit eisigem Nordostwind und schneebedeckten Böden in weiten Teilen Deutschlands. Der Winter scheint in diesem Frühjahr kein Ende zu nehmen. Zahlreiche Eigenheimbesitzer haben in den vergangenen Tagen bereits vorsorglich ihren Heizölbestand nachgefüllt und sind nun über die Feiertage am Grübeln: Wäre es nicht sinnvoll, das Haus energetisch auf Vordermann zu bringen? Sollten die Fassaden nicht stärker gedämmt werden, um Heizkosten zu sparen?
Doch bevor Aufträge an Handwerksbetriebe unterschrieben und Dämmstoffe geordert werden, lohnt sich ein eingehender Blick in eine neue Studie, die das Forschungsinstitut Prognos für die staatliche Förderbank KfW über Kosten und Nutzen der Energiewende erstellt hat.
Die Untersuchung kommt nämlich zu einem ernüchternden Ergebnis: Energetische Sanierungen verschlingen mehr Geld, als durch sie eingespart wird.
Selbst die zusätzlichen finanziellen Aufwendungen für den Neubau besonders energiesparender Wohngebäude werden sich nicht amortisieren. Die Investitionen ließen sich „nicht allein aus den eingesparten Energiekosten finanzieren“, schreibt die KfW.
Das Papier ist brisant: Ob Schwarz-Gelb, Rot-Grün oder die große Koalition – alle Parteien, die seit der Jahrtausendwende an der Regierung waren, haben sich ein großes Ziel gesetzt. Der Heizenergieverbrauch in deutschen Wohngebäuden soll bis 2050 um 80 Prozent gesenkt werden, um die Kohlendioxidemissionen zu reduzieren. Das bei der Verfeuerung fossiler Brennstoffe entstehende Gas steht im Verdacht, das globale Klima zu erwärmen.
Immer wieder wurde deshalb die Energieeinsparverordnung (EnEV) verschärft. Immer stärkere Dämmungen für Neubauten vorgeschrieben. Seit 1993 wurden nach Angaben des Fachverbands Wärmedämmverbundsysteme 769,1 Millionen Quadratmeter Dämmplatten an deutsche Häuser geklebt – eine Fläche, die größer ist als der Stadtstaat Hamburg.
Doch ob sich die gewaltigen Kosten rechnen, wurde von keiner Regierung untersucht – bislang. Die Prognos-Studie ist jetzt das erste Rechenwerk. Und sein Ergebnis ist für die Politik katastrophal.
Um die Energieeinsparziele zu erreichen, sind der Studie zufolge bis zum Jahr 2050 „wohnungswirtschaftliche Investitionen“ über insgesamt 838 Milliarden Euro nötig. Dadurch könnten jedoch nur „Energiekosten von 370 Milliarden Euro eingespart werden“, haben die Prognos-Forscher errechnet.
Unter dem Strich entstünde den Eigentümern somit ein Gesamtverlust von 468 Milliarden Euro. „Die Studie zeigt, dass die Energieeinsparauflagen bar jeglicher ökonomischer Vernunft sind“, sagt Thomas Beyerle, Chefresearcher der Immobiliengesellschaft IVG.
Dennoch wendet die Bundesregierung Jahr für Jahr Milliardenbeträge auf, um über die KfW mit Fördergeldern und zinsgünstigen Darlehen die energetische Sanierung bestehender und den Neubau besonders energieeffizienter Wohnhäuser voranzubringen. Allein in diesem und dem nächsten Jahr sind dafür jeweils 1,8 Milliarden Euro vorgesehen. „Faktisch ist das eine Verschleuderung von Steuergeldern“, sagt Beyerle.
Auch Mieter sind betroffen
Das Ergebnis der Studie bestätigt zugleich Kritiker wie den Architekten Konrad Fischer aus Hochstadt am Main. Sie warnen seit Jahren, die Dämmung von Fassaden führe nicht zu der von Bauwirtschaft und Regierung versprochenen Senkung der Heizenergiekosten. „Ich kenne kein Wärmedämmsystem, dessen Kosten sich durch eine Energieersparnis in einem überschaubaren Zeitraum amortisieren würde“, sagt Fischer.
Zwar zeigt die Studie auch, dass Investitionen zur Steigerung der Energieeffizienz von Wohngebäuden positive volkswirtschaftliche Auswirkungen haben. 200.000 bis 300.000 Arbeitsplätze könnten so in der Bauwirtschaft und dem Handwerk bis 2050 gesichert werden. „Große Investitionen in den Klimaschutz tragen zu Wachstum und Beschäftigung bei“, sagt KfW-Chefvolkswirt Jörg Zeuner.
Ganz anders sieht das Researcher Beyerle: „Nach diesem Argumentationsmuster könnte die Politik auch höhere Fahrpreise und Kontoführungsgebühren festschreiben, damit die Bahn keine Mitarbeiter entlassen und Banken ihre Bonuszahlungen nicht reduzieren müssen.“ Es gebe keinen Grund, weshalb Eigenheimbesitzer dafür zahlen sollten, dass in der Bauwirtschaft Arbeitsplätze erhalten blieben.
Betroffen sind jedoch nicht nur Hauseigentümer, sondern auch Mieter. Denn sie werden genauso für die Umsetzung der Energiesparziele zur Kasse gebeten. „Die Kosten für eine Sanierung oder für besonders stark gedämmte Neubauten müssen sie über höhere Mieten mittragen“, sagt Beyerle.
Bei jeder Verschärfung der EnEV wurden die Dämmvorgaben für neue Ein- und Mehrfamilienhäuser über Änderungen in der Energieeinsparverordnung um jeweils 30 Prozent angehoben. Das hat die Neubaukosten kräftig in die Höhe getrieben.
Schäden schon nach 20 Jahren
Bei einem nach der aktuellen EnEV-Norm errichteten Einfamilienhaus entfallen nach Berechnungen der Deutschen Energieagentur von den Vollkosten von 400 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche bereits 115 Euro auf die energieeinsparbedingten Mehrkosten. Bei einem besonders effizienten Neubau, der nur 55 Prozent des rechnerisch erlaubten Energieverbrauchs aufweist, steigt der Quadratmeterpreis auf 540 Euro – von denen 250 Euro auf die zusätzlichen Energiesparmaßnahmen entfallen.
Ein Ende der Preissteigerungen ist nicht in Sicht: 2014 und 2016 will Berlin die Anforderungen nochmals um jeweils 12,5 Prozent anheben. „Damit werden die Baukosten in beiden Jahren um jeweils weitere fünf Prozent steigen“, sagt Axel Gedaschko, Präsident des GDW Bundesverbands Deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen, dessen 3000 Mitglieder rund sechs Millionen Wohnungen in Deutschland bewirtschaften.
Dabei habe die Wohnungswirtschaft bereits jetzt „in den Großstädten massive Probleme, bezahlbaren Wohnraum für Familien mit niedrigem Einkommen anzubieten“, sagt Gedaschko.
Hinzu kommt ein weiteres Problem: Dämmstoffe haben nur eine begrenzte Haltbarkeit. „Wir wissen von unseren Mitgliedsunternehmen, dass die Dämmung an vielen in den 90er-Jahren sanierten oder neu errichteten Häusern bereits heute – nach nicht einmal 20 Jahren – zum Teil Schäden zeigt“, sagt der GDW-Präsident.
In vielen Fällen durchfeuchtet Regenwasser die gedämmten Fassaden. Dadurch bilden sich Kältebrücken, die Wärme aus den Zimmern nach draußen leiten. Statt Heizkosten zu sparen, muss mehr Gas oder Öl verbrannt werden.
Müllhalden für Wärmedämmsysteme?
Damit stellt sich die Frage, ob bei etlichen der nun sanierten oder neu errichteten Wohngebäude nicht bis 2050 die Dämmung bereits wieder ersetzt werden muss. In diesem Fall könnten die in der Prognos-Studie ermittelten Kosten um etliche Hundert Milliarden Euro weiter in die Höhe schnellen – der Verlust für die Eigentümer würde noch größer.
Auch der Energieeinspareffekt würde dann deutlich geringer ausfallen. Die meisten Wärmedämmverbundsysteme bestehen aus chemisch veredeltem, aufgeschäumtem Rohöl. Für Herstellung und Transport werden erhebliche Energiemengen benötigt.
„Um das Klimaschutzziel zu erreichen, muss geklärt werden, ob Dämmen ökologisch überhaupt sinnvoll ist“, sagt Günter Vornholz, Professor für Immobilienwirtschaft an der EBZ Business School in Bochum.
Zumal die Materialien bislang kaum recycelt werden können. „In wenigen Jahren könnten wir vor dem Problem stehen, riesige Müllhalden schaffen zu müssen, um defekte Wärmedämmverbundsysteme zu entsorgen“, gibt Beyerle zu bedenken. „Die volkswirtschaftlichen Gesamtkosten könnten dann noch viel höher ausfallen, als sich bislang erahnen lässt.“